Professor van Dusen fährt Orient-Express by Michael Koser

Professor van Dusen fährt Orient-Express by Michael Koser

Autor:Michael Koser [Koser, Michael]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-05-06T16:00:00+00:00


10

Eine gute Stunde später. Schnaufend rollte der Orient-Express durchs nächtliche Kravonien. Hinten dran hing, wieder einmal, der Salonwagen mit Leutnant Boskoff und ohne Schaffner. Weiter vorn, in einem regulären Schlafwagenabteil, befanden sich zwei unerschrockene Helden in geheimer Mission.

Der Professor studierte – ausnahmsweise nicht seine Aufzeichnungen zur atomaren Strukturtheorie, sondern die Generalstabskarte von Südost-Kravonien, die er kurz vor der Abfahrt von der Königin bekommen hatte. Was mich betrifft, ich hatte ein ungutes Gefühl. Der Wagen, in dem wir saßen, war so leer und so still wie die dunkle Welt draußen vor dem Fenster. Nichts zu sehen, nichts zu hören. Richtig unheimlich.

Dann gab es doch ein bisschen Leben: Der Schaffner kam zur Fahrkartenkontrolle.

„Danke, meine Herren“, sagte er höflich, nachdem er geknipst hatte. Er sah sich im Abteil um. „Ihr Gepäck – soll ich es für Sie in den Bagage-Wagen schaffen?“

„Nicht nötig, guter Mann.“ Ich gähnte herzhaft. „Um die zwei Stücke kümmern wir uns selbst.“

Der Schaffner streckte die Hand aus. „Vielleicht die große schwarze Tasche…?“

Der Professor sah von der Karte auf. „Mein Miniatur-Laboratorium?“ sagte er scharf. „Unterstehen Sie sich!“

Der Schaffner gab nicht auf. „Oder die Botanisier-trommel?“

„Finger weg!“ rief ich und schlug ihm kräftig auf die Hand, die sich schon fast den Lederriemen der Trommel gekrallt hatte.

Er zuckte zurück. „Wenn Sie nicht wollen, meine Herren…“, knurrte er mürrisch und verließ uns. Seine Schritte verklangen auf dem Korridor.

„Sehr verdächtig“, sagte ich.

Van Dusen, der sich wieder in die Karte vertieft hatte, gab keine Antwort.

„Wenn ich doch bloß rauchen könnte“, jammerte ich leise. „Mit einer guten Zigarre ist alles halb so wild.“

Diesmal reagierte er. „Die Luft verpesten, die Aktivität meiner Hirnzellen beeinträchtigen? Auf gar keinen Fall!“

„Ich könnte ja rausgehen, auf den Korridor“, schlug ich vor.

„Sie bleiben im Abteil, mein lieber Hatch. Aus Sicherheitsgründen.“

Das galt offenbar nur für Assistenten. Denn als der Zug wenige Minuten später in Gnewutsch hielt, stieg der Professor kurz aus, um, wie er erklärte, eine Depesche an die Königin aufzugeben.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.